Eine turbulente Woche – Party mit Hippies, Wassermelonen im Outback und ein Hillbilly auf Kriegsfuß
4 11 2012Nach acht Wochen Arbeit wurde es dringend Zeit für etwas Freizeit und was kann es dafür Schöneres geben als der Besuch eines Festivals! Es ging zum Mission Evolve Music Festival, welches in der Nähe unseres Lieblingsstrandes in Mission Beach stattfand. Auf der Website fanden sich wenige Informationen zur Ausrichtung bzw Intention des Festivals und wir waren gespannt ob wir inmitten eines ländlichen Dorffestes oder gar riesigen Saufgelages (oder beides) landen würden. Als wir unser Camp auf dem Gelände aufschlugen und unsere Campnachbarn begutachteten, wurde schnell klar, dass wohl keines von beiden zutraf sondern dass wir auf einem sehr netten, alternativ angehauchten Hippiefestival gelandet waren. So verbrachten wir das Wochenende bei guter Musik auf der Wiese vor einer der beiden Bühnen, in unserem Camp, bei unseren netten Nachbarn Ange, Stew und Scott und am Abend natürlich auf dem Dancefloor, wo uns besonders Claude Hay zum tanzen animierte. Wir schätzen, dass keine 500 Leute das Festival besuchten, aber die Atmosphäre war so nett und familiär, dass es definitiv zur Top 5 unserer besten Festivals gehört, die wir jemals besuchten. Wir hätten nicht gedacht, dass die Ozzies sowas auf die Beine stellen können!
Am Sonntag ging’s dann nochmal zurück zum Strand in Mission Beach, genauer gesagt auf den Campingplatz Bali Hai, wo wir zwei Tage und Nächte verbrachten und den wirklich wunderschönen Strand von Mission Beach, nur einige Meter von unserem Camp entfernt, genossen.
Am Dienstag, den 16.10. brachen wir dort die Zelte ab und fuhren Richtung Norden in die Atherton Tablelands, um uns neue Arbeit zu suchen. Die ersten Reaktionen auf den Farmen waren jedoch ernüchternd: no job, no job, no job. Wir wurden von Hinz nach Kunz geschickt und am Ende des Tages stellte sich heraus, dass es momentan in den Tablelands recht wenig Arbeit gibt, die Saison für Mangos, Lychees und Co. erst in mehreren Wochen startet und wir ziemliches Glück hätten, wenn wir Arbeit finden würden. Die Nähe zu Cairns, der Backpacker-Hochburg schlechthin im Norden Australiens, macht die Situation hier momentan nicht besser, da viele der dort stationierten Reisenden ebenfalls in den Tablelands nach Arbeit suchen.
Zumindest entdeckten wir an diesem Abend noch einen wirklich sehr schönen Campingplatz ca 12 km von der Stadt Mareeba entfernt, den Granite George Nature Park. Vulkanische Aktivität hat dort vor vielen hundert Jahren riesige Felsen geformt, über die man wandern kann und durch deren Mitte ein Fluss fließt, der nach einem schweißtreibenden Marsch durch die Felslandschaft für wohltuende Abkühlung sorgt. Im Park lebt außerdem eine riesige Wallaby-Kolonie, und die putzigen Viecher kann man tagsüber auf den Felsen beobachteten und auch streicheln. Nachts kommen sie bis auf den Campingplatz und fressen alles, was nachlässige Camper zurückgelassen haben. Man muss dann aufpassen, auf dem Weg zur Toilette keines der friedlich grasenden Tierchen umzurennen.
Am nächsten Tag, Heikes Geburtstag, ging bezüglich Arbeit plötzlich alles Schlag auf Schlag und der Tag wurde alles andere als geruhsam. Nach einem Geburtstagsfrühstück am Morgen fuhren wir in die Stadt, um in einer Jobvermittlung nach Arbeit zu fragen. Und prompt gab es Arbeit für uns, auf einer Melonenfarm zwei Stunden von Mareeba entfernt. Einziger Haken war, dass die Arbeit bereits am nächsten Tag beginnen sollte und wir noch am selben Tag losfahren mussten. So hieß es alles wieder einpacken, im Joboffice den Papierkram erledigen, einkaufen (in Lakeland, dem Ort wo sich die Farm befindet, gibt es keinen Supermarkt und der nächste ist 45 Minuten Fahrzeit entfernt) und losfahren, damit wir bloß nicht bei Dunkelheit noch ein Känguru oder Größeres im Outback überfahren. Der Geburtstagskuchen wurde deshalb im Auto verspeist und nach 2,5 Stunden Fahrt erreichten wir den vom Joboffice empfohlenen Campingplatz, das Palmer River Roadhouse, welches jedoch immer noch ca. 30 km von der Farm entfernt war. Wir wunderten uns, dass außer uns keine weiteren Backpacker anwesend waren, denn eigentlich sollte am nächsten Tag ein komplett neues Team auf der Farm starten und das Roadhouse sei die einzig verfügbare Unterkunft in der Nähe. Später am Abend bekamen wir doch noch Gesellschaft, zwei Jungs aus Australien und England sowie Jessica und Ben aus Berlin, die ebenfalls Hals über Kopf aus Cairns aufgebrochen waren, um den Job anzutreten. Nach einem netten Abend mit der ersten Sektflasche seit Reiseantritt fuhren wir am nächsten Morgen zur Farm und wurden direkt vom Big Boss Andrew begrüßt. In seiner 30-minütigen, unbezahlten (!) „Willkommensrede“ betonte er, wie toll doch das Melonen ernten wäre und dass wir eigentlich ihn dafür bezahlen müssten, dass wir hier arbeiten dürfen. Äh-ja, dachten wir uns zu diesem Zeitpunkt bereits, anscheinend haben wir es hier mit einem besonderen Exemplar von Selbstüberschätzung und Realitätsferne zu tun…Er betonte auch direkt in einem seiner ersten Sätze, dass er normalerweise ein ganz feiner Kerl sei, wenn ihm jedoch jemand dumm kommt oder eine seiner teuren Wassermelonen zu rüde anfasst („treat them like a baby…“), würden wir uns wünschen, ihn niemals kennengelernt zu haben…
Nun gut, irgendwann war er fertig mit seinen Ausführungen und wir fuhren aufs Feld, um mit dem Ernten zu beginnen. Die Jungs liefen dabei vor einem Fließband her, welches seitlich am Traktor befestigt war und mussten die Melonen von Boden aufheben und vorsichtig auf das Band legen (bloß nicht werfen!). Die Melonen gelangten von dort aus auf den Traktoranhänger, wo sie per Klopfen auf gute Qualität geprüft und von Heike und Anne in große Kartons gepackt wurden.
Der erste Tag in der prallen Sonne war heftig: Die Melonen sind teilweise sehr schwer (um die 8 bis 15, die Größten bis zu 20 Kilo), die Sonne brannte und wir tranken jeder um die 4 Liter Wasser, um nicht aus den Latschen zu kippen. Gut, dass wir ab und an eine Melone schlachten durften und das Team selbst das Beste aus dem Sch…-Job machte und wir viel zu lachen hatten. Mit Robbe und Ben fand sich sich ein besonderes Komikerpaar, welches zur exzellenten Unterhaltung des Teams beitrug ;-).
Am Ende des Tages waren wir dreckig von oben bis unten und uns haben alle Knochen wehgetan. Zurück auf dem Campingplatz waren wir uns alle einig, dass wir den Job sicherlich nicht länger als einige Tage durchziehen werden – das wollten und müssen wir uns einfach nicht antun.
Der zweite Tag wurde der Schlimmste von allen – Muskelkater überall und selbst in den Körperteilen, wo man vorher gar nicht wusste dass man hier welche hat. Im Team fehlte zudem eine Person und so mussten Anne und Heike allein oben auf dem Traktor arbeiten und es gingen wohl so um die 800 Melonen durch unsere an diesem Tag besonders schwächlichen Arme. Zusammen mit dem Muskelkater vom Vortag war das einfach nur extrem anstrengend und wir waren so froh, als es gegen Mittag anfing zu nieseln und aufgrund des Regens der Arbeitstag früher endete.
Der dritte Tag war dann wieder ganz ok und wir hatten recht viel Spaß auf dem Feld, beschlossen jedoch trotzdem, dem Big Boss am Abend zu sagen, dass wir kündigen aber aus gutem Willen noch solange bleiben, bis er Ersatz für uns findet. Anfangs war er noch recht nett, aber das änderte sich schnell, und nach einem mehr und mehr unschönen Wortwechsel endete das Gespräch damit, dass er uns von der Farm warf und wir auch am nächsten Tag nicht wiederkommen brauchten. Die beiden Berliner kündigten mit uns, und nachdem Ben sich einen ggf. etwas provozierenden Kommentar nicht verkneifen konnte, wurde Andrew fast noch handgreiflich und war kurz davor, Ben nicht nur verbal vom Farmgelände zu werfen. Letztlich hat der Melonen-Chef extrem überreagiert und war wahrscheinlich schwer gekränkt, dass wir diesen Assi-Job nicht mehr machen wollten. Im Nachhinein haben wir erfahren, dass es in der Vergangenheit schon einige unschöne Szenen mit ihm gegeben haben soll und dass er Backpacker auch gerne mal würgt, wenn ihm nicht passt was sie tun und sagen. Logisch, dass wir uns so einen Hinterwäldler nicht antun geschweige denn für ihn arbeiten müssen….
Wir packten am selben Tag noch unsere Sachen und fuhren zurück Richtung Mareeba – keine Stunde länger wollten wir in diesem Kaff bzw. auf dem Campingplatz bleiben, wo es im übrigen auch mit dem besten Handynetz Australiens, Telstra, weder Telefon- noch Internetempfang gibt und Heikes Geburtstag hinsichtlich der Grüße aus der Heimat dieses Mal sehr sehr ruhig ausfiel. 🙁
Da wir den Rückweg recht spät antraten, machten wir auf halber Strecke Rast und campten direkt an einem glasklaren Fluss in der Nähe des Highways – ein Insider-Tipp für diese Strecke, welchen wir von den sehr netten Inhabern des Palmer River Roadhouse bekommen hatten.
Zu fünft ließen wir den Abend ausklingen, beobachteten glühende Reste von nahen Buschfeuern in der Dunkelheit und waren alle sehr froh, den Melonen und besonders dem verrückten Hillbilly in Lakeland entkommen zu sein!
Coming next: Tour durch die Tablelands und ein äußerst glückliches Händchen bei der Jobsuche
Kategorien : Australien, Work