Wie schnell Vorurteile verfliegen können – Charming Phnom Penh
10 01 2012Der Dezember hatte es in sich – mittlerweile sind wir im Land Nr. 4 angekommen, welches wir in diesem Monat besuchten: Kambodscha! Unsere erste Station war die Hauptstadt Phnom Penh. Sie liegt am Mekong, hat ca. 1,3 Millionen Einwohner und wir hatten unsere Bedenken, bevor wir dort ankamen. Bisher hatten wir relativ wenige Live-Reiseberichte über Kambodscha gehört und konnten uns nicht so recht vorstellen, wie dieses Land sein wird, was erst vor gut 30 Jahren eine unvorstellbar schreckliche Zeit hinter sich gebracht hat. Über Phnom Penh lasen wir, dass dort reiche Khmer gern mal von der Waffe Gebrauch machen und dass Taschendiebstahl an der Tagesordnung steht (wobei man auch sagen muss, dass Kambodscha alles in allem ein sicheres Reiseland ist und man in einigen Ländern in Südamerika definitiv unsicherer unterwegs ist). Trotzdem waren wir gewarnt und gespannt, wie sich unser „Sicherheitsgefühl „anfühlen“ wird. Bei der vorherigen Recherche nach Hotels stellten wir schnell fest, dass es sehr viele schöne Boutique-Hotels zu erschwinglichen Preisen gibt. Wir buchten uns für die ersten beiden Nächte ins Hotel Nine in der Nähe des Independent Monuments ein und können dieses Hotel sehr empfehlen! Wir zahlten für unser Zimmer inklusive Frühstück 50 Dollar (normal 40 aber 10 Dollar mehr da Peak Season). Nach zwei Nächten mussten wir nochmal umziehen und zogen ins Hotel Blue Lime, gelegen in einer Sackgasse hinter dem National Museum. Dieses Boutique-Hotel hat uns noch besser gefallen als das Hotel Nine. Wir hatten ein riesiges Zimmer (60 Dollar inkl. Frühstück, war ja Silvester 🙂 ), in dem nur Möbel aus Beton standen. Das klingt vielleicht etwas „kalt“, war aber sehr stylisch und etwas besonderes im ansonsten doch recht trögen Hotel-Einerlei. Es gibt auch Zimmer mit privatem Planschbecken im Garten für 85 Euro pro Nacht, diese hätten aber leider unser Budget gesprengt..
In Phnom Penh machten wir es uns zur Gewohnheit, früh aufzustehen und jeweils in den noch recht kühlen Morgenstunden die Sehenswürdigkeiten anzuschauen, bevor wir die heißen Mittagsstunden am Pool verbrachten. So besuchten wir den Königspalast aus dem 19.Jh, in dem noch heute der König residiert (und sogar anwesend war, als wir ihn besichtigten – wir wurden allerdings nicht zur Audienz vorgelassen..). Der Komplex besteht aus mehreren Gebäuden, ua der Silver Pagoda, in der man den kambodschanischen Emerald Buddha und den Maitreya Buddha besichtigten kann, der mit 9584 Diamanten verschönert ist. Am Silvestermorgen spazierten wir zum Wat Phnom, einem Tempel, der auf einer Anhöhe westlich des Mekongs gelegen ist. Im eigentlichen Tempelgebäude war es total friedlich und wir genossen die morgendliche Ruhe und beobachteten, wie eine Kambodschanerin die einzelnen Buddha-Figuren mit Parfüm einsprühte und dabei betete. Nebenan, in einer weiteren Halle mit Götterfiguren, ging es allerdings hoch her. Wir staunten über Tische voller Speisen, die als Opfergaben dargebracht wurden. Da lagen Früchte, Kuchen, Braten und komplett gebratene Schweine mit einem Messer im Rücken! In das Maul einer Tigerfigur aus Stein wurde rohes Fleisch gelegt, und wir wunderten uns schon, was da vom Kopf runter tropft, bis wir sahen, dass auf dem Kopf ein rohes Ei zerschlagen wurde. Wir wissen leider nicht genau, ob der Silvestermorgen ein spezieller Anlass war, besonders viele Opfergaben zu bringen (das chinesische Neujahr ist hier in Asien ja normalerweise viel wichtiger) aber auf jeden Fall bleiben die Speisen dort nicht etwa stehen und vergammeln, sondern sie werden nach einer Weile wieder mitgenommen und daheim verzerrt.
Am Silvester- und Neujahrstag besuchten wir außerdem zwei Gedenkstätten für die Opfer des Regimes der Roten Khmer (das Tuol Sleng Sicherheitsgefängnis und die Killing Fields von Choeung Ek), wo wir vieles über das Schreckensregime erfahren haben.
Die Roten Khmer waren eine maoistische-nationalistische Guerillabewegung, die 1975 in Kambodscha an die Macht kam. Sie wollten das Land mit Gewalt in eine Art Agrarkommunismus überführen. Dieser Prozess umfasste auch die fast vollständige Vertreibung der Bevölkerung der Hauptstadt Phnom Penh und mündete in einem mit großer Grausamkeit ausgeführten beispiellosen Massenmord am eigenen Volk. Bis zum Ende ihrer Herrschaft 1978 fielen den roten Khmer nach den verbreitetsten Schätzungen etwa 1,7 bis 2,2 Millionen Kambodschaner zum Opfer. Ein Teil starb während der Zwangsarbeiten auf den Feldern an Hunger, Erschöpfung oder tropischen Krankheiten. Ein weiterer Teil wurde bei sog Massensäuberungen getötet. Wer im Verdacht stand, mit Ausländern zu kollaborieren, wurde mit Ehegatten und Kindern getötet. Die „Bourgeoisie“ wurde „abgeschafft“, und um ein „Bourgeois“ zu sein, reichte es oft, lesen oder eine Fremdsprache (vor allem Französisch) sprechen zu können. Selbst wer zu „weiche“ Hände hatte, wurde eingesperrt, gefoltert und getötet. Ca. 15.000 bis 30.000 Menschen wurden ins Tuol Sleng Sicherheitsgefängnis nach Phnom Penh gebracht, dort verhört und gefoltert. Wer nicht bereits während der Folterungen starb, wurde zu den Killing Fields vor den Toren der Stadt gebracht und dort grausam getötet und in eines der Massengräber gestoßen. Babys wurden gegen Bäume geschlagen und so getötet und ebenfalls in die Massengräber geworfen. Das Regime der Roten Khmer endete erst 1978 mit dem Einmarsch der Vietnamesen. Nach ihrer Vertreibung wurden die Roten Khmer erneut zu einer Untergrundbewegung und dabei zeitweise von verschiedenen, auch westlichen Ländern (ua mit Waffenliefungen!) unterstützt. Die wirksame juristische Aufarbeitung der Verbrechen während ihrer Herrschaft startete erst 2007 und dauert bis heute an. Für uns war es sehr bedrückend, uns mit diesem Teil der kambodschanischen Geschichte auseinanderzusetzen, zumal dies erst vor gut 35 Jahren passierte. Wenn man die Killing Fields besucht, kann man sich einen Audio-Guide ausleihen und erfährt sehr viel über die Geschehnisse der damaligen Zeit!
Den Silvesterabend verbrachten wir äußerst entspannt mit lecker Pizza und Pasta beim Italiener, um danach zur Touristenmeile an Flussufer des Mekongs weiterzuziehen und auf das neue Jahr anzustoßen. Leider hatte es Anne und Martin mit einer Magen-Darm-Infektion erwischt und so fiel der eigentlich geplante Clubbesuch ins Wasser und unsere Wege trennten sich deshalb auch erstmal, da die beiden noch eine Weile in Phnom Penh bleiben wollten, um sich zu erholen, wir jedoch am 2.Januar weiter Richtung kambodschanische Küste gefahren sind.
Allen Vorurteilen zum Trotz haben wir uns in Phnom Penh sehr wohl und sicher gefühlt. Die kambodschanische Hauptstadt ist sehr modern, man kann toll essen gehen, es gibt viele stylische und trotzdem günstige Hotels, weite Parkanlagen (wo Heike sogar endlich mal wieder laufen war) und wenn man will auch ordentlich einkaufen. Die Stadt hat einfach einen besonderen Charme, und wir hätten uns das so gar nicht vorgestellt. Wir waren also äußerst positiv überrascht und planen, vielleicht sogar noch ein paar Tage dort zu verbringen.
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