Ein Besuch in der Kulturhauptstadt Japans Kyoto

7 06 2012

Mit dem Nachtbus ging es nach fünf Nächten Tokio in 7 Stunden nach Kyoto. Der Nachtbus ist die günstigste Transportmöglickeit zwischen den beiden Städten (Distanz: ca 400km) und recht komfortabel, Heike hat – leider im Gegensatz zu Robbe – jedenfalls gut geschlafen 😉
Pünktlich um 7 Uhr erreichten wir Kyoto und wurden direkt am neu gebauten riesigen Bahnhof uns selbst überlassen. Unser Reiseführer hatte uns schon vorgewarnt, dass Kyoto alles andere als schön ist, wenn man am Bahnhof ankommt – und so war es auch: Graue Häuser, viel Verkehr, überall die Stromleitungen wie anno dazumal und von schönen Tempelanlagen weit und breit nichts zu sehen. Dieser erste Eindruck trügt natürlich, davon konnten wir uns während unseres Aufenthaltes zweifelsfrei überzeugen.
Kyōto ist mit knapp 1,5 Mio Einwohnern eine der geschichtlich und kulturell bedeutendsten Städte Japans – sie war zwischen 794 und 1868 die kaiserliche Hauptstadt. Hier einige beeindruckende Zahlen: In Kyoto befinden sich ca. 1600 buddhistischen Tempel, 400 Shintō-Schreine sowie diverse Palästen und Gärten. Davon sind 13 Tempel, 3 Schreine und eine Burg in und um Kyoto zum Unesco Weltkulturerbe erklärt worden. Das Zentrum und der Süden sind das wirtschaftliche Herz der Stadt. Die touristischen Sehenswürdigkeiten befinden sich teilweise im Zentrum, ein Großteil der berühmten Tempel liegt jedoch im Nordosten und Nordwesten der Stadt oder auf Berghängen in der Umgebung.
Unser erster Tag begann zunächst mit dem Suchen und Finden unseres Hostels mit Namen „Tomato“, welches sich in der Nähe des Bahnhofes befindet. Da es noch so früh am Morgen war, war die Rezeption unbesetzt, und so mussten wir uns selbst auf die Suche nach Küche und Aufenthaltsraum machen. Wir sahen keinen Menschenseele und verspeisten erstmal in Ruhe unser Frühstück. Im Aufenthaltsraum stand ein Laptop rum, und wenn nicht solch ehrenwerte Bürger wie wir dort „eingedrungen“ wären, hätte der auch mal schnell verschwinden können. Im Allgemeinen haben wir festgestellt, dass sich die Japaner keine allzu großen Sorgen um die Sicherheit ihrer Wertsachen machen: Als wir in Tokio in einem Bahnhof Rolltreppe fuhren, stand vor uns eine Japanerin mit offener Handtasche , wo die Geldbörse griffbereit ganz oben lag. Man hätte einfach nur zugreifen müssen – ein Taschendieb hätte seine wahre Freude gehabt! Wir haben nur gestaunt…
Nach dem Frühstück war keine Zeit zum ausruhen, denn wir hatten ja viel vor und so steuerten wir auch direkt den nächsten Fahrradverleih an, um uns für die nächsten Tage Bikes auszuleihen. Kyoto lässt sich nämlich am besten mit dem Fahrrad erkunden, obwohl die Distanzen nichts für Faule sind. 10 km von einem zum anderen Tempel müssen schon mal absolviert werden, aber uns macht Radeln Spaß und ein bisschen Sport soll ja bekanntlich nicht schaden. Außerdem ist Kyoto schachbrettartig angelegt und die Orientierung fällt somit nicht schwer.
So fuhren wir am ersten Vormittag bei super Wetter zunächst den Fluss entlang Richtung Norden, um dort die Tempel im Nordosten zu erkunden. Vorbei kamen wir am Kaiserpalast, der inmitten eines grosszügig angelegten Parks zu finden ist. Das heutige Gebäude wurde 1855 errichtet, kann jedoch nur im Rahmen einer vorab angemeldeten Führung besichtigt werden, wie wir vor Ort erfuhren. Danach ging’s weiter nördlich und wir besuchten ca. fünf Tempel (siehe Fotos), bevor wir uns wieder auf den Rückweg zum Hostel machten. Die Tempel liegen teilweise sehr idyllisch in kleinen Gassen, auf Berghängen oder im Wald und wir haben die Besuche sehr genossen. Die meisten Tempel Kyotos kann man kostenfrei besichtigen – vor allem bei denjenigen jedoch, die zum Weltkulturerbe gehören, wird ein Eintrittspreis verlangt, der zwischen 4 und 6 Euro pP liegt. Alle 17 zu besuchen, würde somit recht teuer sein, sodass wir uns nur die schönsten Tempel für einen Besuch ausgesucht haben bzw. bei Einigen das Glück hatten, uns kostenlos reinzuschleichen ;-).
Die Fortbewegung per Fahrrad bedeutet in Japan übrigens, die ganze Zeit auf den zumeist recht engen Bürgersteigen zu fahren und den Fußgängern auszuweichen bzw. diese aus dem Weg zu klingeln. In Berlin wäre man wohl so schon längst vom Fahrrad geschubst worden, aber hier in Japan ist das Gang und Gebe und kein Fussgänger meckert, wenn man als Radfahrer ohne Sicherheitsabstand vorbeizieht. Im Gegensatz zu den Radfahrern Japans sind die Fußgänger jedoch Musterbeispiele hinsichtlich Recht und Ordnung: Während unseres Aufenthalts bemerkten wir, dass so gut wie niemand je über eine rote Fußgängerampel geht und auch wenn kein Auto weit und breit zu sehen ist, wird brav gewartet, bis es grün wird. Anfangs haben wir noch versucht, es ihnen gleichzutun, aber irgendwann war es uns dann doch zu blöd, und wir haben es eher wie die NY’er gehandhabt, denn dort stellen rote Fußgängerampeln überhaupt kein Hinderniss dar, im Gegenteil!
Nach unserer ersten großen Fahrrad-Tempel-Tour waren wir am Abend froh, wieder beim Hostel anzukommen und legten erstmal eine Verschnaufpause ein. Nach dem Abendessen ging’s zur Aussichtsplattform im Bahnhof, wo man eine nette Sicht auf Kyotos City hat. Todmüde fielen wir im Anschluss ins Bett.
Der nächste Tag war ebenfalls komplett durchgeplant. Zunächst radelten wir zum ca. 8 km entfernten Kinkaku-ji (Goldener Pavillon) im Nordwesten der Stadt, eine der Hauptsehenswürdigkeiten Kyotos. Obwohl wir uns trotz des früheren Vormittags bereits mit unzähligen Schulklassen durchs Tempelgelände schieben mussten, hat uns dieser Tempel sehr gut gefallen und lohnt definitiv einen Besuch. Danach besichtigten wir weitere Tempel, ua den Tenryuji Tempel, der umgeben ist von beeindruckenden Bambuswäldern, in denen sich ein Spaziergang sehr unwirklich anfühlt.
Später am Tag besuchten wir noch zwei grosse Tempelanlagen in der Nähe unseres Hostels und am Abend genossen wir bei einem Spaziergang den Blick auf die mit 57 Metern größte Pagodas Japans, welche zum Tō-ji Tempel gehört und nachts toll beleuchtet ist.
Am nächsten Tag machten wir einen sehr lohnenswerten Ausflug in die Stadt Nara, 45 Minuten Zugfahrt von Kyoto entfernt.
Nara ist mit 1,3 Mio Einwohnern unwesentlich kleiner als Kyoto und war vor Kyoto von 710 bis 784 unter dem Namen Heijō-kyō die Hauptstadt Japans. Aus dieser Zeit stammen die meisten der dortigen großen Tempelanlagen. Zwar verlor die Stadt nach der Verlegung der Hauptstadt nach Kyōto an Bedeutung, die buddhistischen Tempel und Shintō-Schreine jedoch bauten ihre Macht schrittweise aus und überstanden bis heute.
Der Vorteil der Stadt ist, dass fast alle Sehenswürdigkeiten im oder nahe des Stadtparks liegen und somit erlaufbar sind. Naja, ein Fahrrad auszuleihen wäre wohl eine bessere Idee gewesen, denn 20 km per Pedes haben wir an diesem Tag summa summarum auch zurückgelegt.
Der Stadt-Park ist von über 1200 Sikahirschen bevölkert, die an unsere heimischen Rehe erinnern. Für die Japaner gelten diese Tiere als Glücksboten und werden deshalb verhätschelt. Man kann „Rehcookies“ kaufen und die Viecher damit füttern – der Renner bei den Touristen. Aber auch Sushi verschmähen die verfressenen Biester nicht – Heike musste sich mit unserem Mittagessen in Sicherheit bringen, als eine Gruppe Rehe Witterung aufgenommen hatte.
Nara hat uns gut gefallen, weil die Tempel recht kompakt zusammenliegen und man nicht solch große Distanzen wie in Kyoto zurücklegen muss. Außerdem wirkt die Stadt beschaulicher und man kann nett in den Einkaufsstraßen bummeln. Trotzdem hatten wir an diesem Abend schon eine erste Überdosis an Tempelbesuchen erreicht, denn so viele verschiedene Eindrücke zum selben Thema kann man kaum aufnehmen.
Am nächsten Morgen brach der letzte Tag in Kyoto an und noch immer war unsere todo-Liste nicht vollkommen abgearbeitet. Obwohl wir eigentlich keinen Tempel mehr sehen konnten, radelten wir am Morgen nochmal los und hakten die Restlichen auf unserer Liste ab. Wir fuhren auf dem berühmten Philosophenweg, einer Route im Osten der Stadt, die an zahlreichen Tempeln vorbeiführt. Wir haben uns dort nochmals einige Tempel und Schreine angeschaut und trotz der schleichenden Überdosis war auch dieser letzte Tag in Kyoto nochmals sehr schön und wir haben die wunderbaren Orte mit oftmals besonderer Stimmung sehr genossen. Am Abend ging es dann mit dem Zug in 30 Minuten zu unserer letzten Station in Japan, nach Osaka!

Coming next: Schöner Abschied von Japan mit einem Besuch in Osaka



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